Berichte aus den Vereinen

„Festival der Musik“ als krönender Abschluss des Jubiläumsjahres

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Es sollte das Highlight der Feierlichkeiten anlässlich „25 Jahre Musikcorps – 66 Jahre Feuerwehrmusik in Großen-Linden” werden. Und es wurde in der Tat der krönende Abschluss des Jubiläumsjahres: Das „Festival der Musik – das Tattoo in Mittelhessen” am 16. November in der Wetzlarer Rittal-Arena. Sieben Musikgruppen mit knapp 400 Akteurinnen und Akteuren boten den 2.500 Zuschauer in der ausverkauften Arena ein dreieinhalbstündiges Musikspektakel vom Feinsten. „Musikshow der Superlative”,  „Grandioses Tattoo-Erlebnis” und „Lindens Musikbotschafter treffen in Wetzlar genau den Ton” titelten die heimischen Gazetten am Tag nach der Veranstaltung.

Noch vor dem eigentlichen Programmbeginn um 19.30 Uhr präsentierte sich zunächst das Jugendmusikcorps unter der Leitung von Philipp Maurer mit dem „Cupsong” und baten die Zuschauer sozusagen zum „Warm-up” für das anschließende Tattoo.

Danach begrüßte Moderator Werner Rauber-Wagner, der in bewährter Weise durch das Programm führte, die Gäste, besonders die Schirmherrin des Jubiläumsjahres, Landrätin Anita Schneider. Zugleich wurden eine Abordnung der Feuerwehr aus der Lindener Partnerstadt Purgstall (Österreich) sowie eine 50-köpfige Gruppe der Feuerwehr aus Singen (Hohentwiel) in der Nähe des Bodensees gesondert begrüßt. Zum Abschluss seiner Eingangsworte versprach Moderator und Ehrenvorsitzender Werner Rauber-Wagner dem Publikum für die nächsten Stunden „ein grandioses, musikalisches Erlebnis”. „Ein Abend, der die große Bandbreite der Marsch- und Showmusik aufzeigen soll”, so Rauber-Wagner weiter. Und der sollte es werden.

Beim musikalischen Auftakt des Abends war gleich eine Premiere angesagt. Erstmals trat ein aus mehreren Gruppen formiertes Orchester aus dem Kreisfeuerwehrverband Gießen gemeinsam in Marschformation auf. Dieses setzte sich zusammen aus dem Blasorchester der Freiwilligen Feuerwehr Reiskirchen, dem Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Allendorf/Lumda und den Spielleuten der Busecker Schloßremise der Freiwilligen Feuerwehr Großen-Buseck.

Unter der Leitung ihres Dirigenten Christoph Aßmann und des Tambourmajors Oliver Schepp präsentierte das Orchester beim Einmarsch in klassischer (Militär-)Marschmusiktradition den „Yorckscher Marsch” von Ludwig van Beethoven. Als sich die 100 Musikerinnen und Musiker dann auf dem Parkett der Rittal-Arena formiert hatten, bot sich dem Publikum ob der schieren Größe des Klangkörpers ein imposantes Bild.

Musikalisch ging es weiter mit „Schön ist die Jugend”, einem Satz für Blasorchester und Spielleute aus der Feder von Hans Orterer, dem ehemaligen Chef und Dirigent des Heeresmusikkorps 5 Gießen. Dem schloss sich das Arrangement „Rosamunde” an, ehe der Marsch „Glück auf” erklang. Bei dem auch als „Steigerlied” bekannten Titel sang ein Teil der Protagonisten stimmgewaltig mit. Beim Auszug der Gruppe erklang mit dem „Regimentsgruß”  einer der bekanntesten und am häufigsten gespielten Militärmärsche in Deutschland. Langanhaltender Beifall seitens des Publikums belohnten den mehr als gelungenen Auftritt des Orchesters aus dem Kreisfeuerwehrverband Gießen.

Nach dem Auftakt durch das Orchester aus dem heimischen Kreisfeuerwehrverband mit durchweg traditionellen Melodien folgte mit Takostu Stiens eine Gruppe aus den Niederlanden, die im Bereich „Marschparade” unterwegs ist. Ausgestattet mit Flöten und Percussion setzt die Band aus der Provinz Friesland „Musik in Bewegung” mit einem unglaublichen Tempo und einer ungeheuren Präzision um. Die Qualität der Gruppe zeigt sich auch bei internationalen Musikfestivals. 2017 errang sie beim World Music Contest in Kerkrade im Wettbewerb „Marschparade” den ersten Platz mit dem damit verbundenen Weltmeistertitel. Das aktuelle Programm trägt den Titel „Counterpoint”und verbindet Elemente des Pops und der Klassik auf geschickte Art und Weise miteinander.

Hiernach stand der Auftritt des Gastgebers, des Musikcorps Großen-Linden auf dem Plan. Unter der Leitung von Alexander Mehl präsentierte man die aktuelle Show „Olympia” erstmals in heimischen Gefilden. In der Show selbst wird das größte Sportereignis der Welt, die Olympischen Spiele thematisiert. Das Musikcorps greift den gesamten Ablauf der Spiele auf: von der Eröffnung, der Entzündung des Feuers über den Einzug der Athleten, den Wettkämpfen bis zur Siegerehrung und der Abschlussfeier. Die Musik wurde vom niederländischen Arrangeur René Leckie geschrieben. Mit Titeln wie „Olympic Spirit”,  „Einzug der Gladiatoren”, „JUMP”, „Somewhere over the rainbow”, „Run Boy Run”, „The winner takes it all” und „Celebration” werden die verschiedenen Abschnitte und Disziplinen musikalisch erzählt. Die dazugehörige Choreographie stammt aus der Feder des Niederländers Rik Boelee. Die Musikerinnen und Musiker des Musikcorps legten an diesem Abend sowohl musikalisch als auch choreographisch einen hervorragenden Auftritt hin und ließen das Publikum Teil der olympischen Zeremonie werden. Der Einsatz der passenden Pyrotechnik unterstützte die dargebotene Performance. Langanhaltender Applaus von den Rängen war verdienter Lohn.

Dann wurde es fast mystisch in der Arena. Das schottische Element, das bei einem derartigen „Tattoo-Event” wie in Wetzlar nicht fehlen darf, hielt Einzug in Form von Drums und Dudelsackklängen. Mit dem Massed Pipes & Drums, zusammengestellt durch die United Highlanders und die Hohenlohe Highlanders, wurde wieder eine völlig andere musikalische Stilrichtung präsentiert. In Kombination mit einer ausgefeilten Lichttechnik fühlte man sich spontan in die mitunter düstere Landschaft der schottischen Highlands versetzt. Unter der Leitung ihres Pipe Majers Marco Kronenwetter konnte die Massed Pipes & Drums mit ihrer musikalischen Performance, die nicht nur die allseits bekannten Stücke beinhaltet, immer wieder Gänsehautmomente im weiten Rund der Arena auslösen und für einen gelungenen Abschluss des ersten Programmteils sorgen.

Der zweite Teil des Tattoos begann dann äußerst schwungvoll. Aufstellung genommen hatte die Gruppe „Fanfara Bersaglieri Colombo di Lecco” aus Italien. Von ihrer Heimat am Comer See aus hatten die 40 Musiker die lange Reise ins Mittelhessische bereits am Tag vor dem Festival angetreten und abends noch einen netten Abend im Vereinsheim des Musikcorps verbracht. Unter der Leitung von Maestro Luca Losa eroberte die Band auch in der Domstadt die Herzen des Publikums im Laufschritt.

Irgendwie hatten die Pipes und Drums nach ihrem Auftritt im ersten Teil des Programms noch nicht genug, denn gerade hatten die Musiker der „Fanfara Bersaglieri Colombo di Lecco” ihren Auftritt beendet, da standen die Damen und Herren im Schottenrock schon wieder auf dem Parkett. Diesmal mit eher ungewöhnlichen Tönen, die einem Dudelsack ganz und gar nicht zugerechnet werden. Jedenfalls war das Publikum sehr erstaunt, als die „Hohenlohe Highlanders” plötzlich mit dem „Pippi-Langstrumpf-Lied” Einzug in die Arena hielt. Es folgten klassische schottische Klänge und begeisternder Applaus von den Rängen, was wieder einmal unterstreicht, dass die Musik mit Dudelsäcken und Drums sich immer größerer Beliebtheit erfreut.

Donnergrollen, Lichtblitze, Nebelschwaden, dann traten sie ins Scheinwerferlicht – die Fascinating Drums! Voller Ideenreichtum verbanden sie traditionelle Trommeltechniken aus Deutschland, Schottland und der Schweiz mit visuellen Effekten und Marching-Choreografien amerikanischer Drum Corps zu einer einzigartigen Trommelshow. Unterwegs sind die Fascinating Drums mittlerweile in ganz Europa, und auch Rufen aus Asien sind sie gefolgt. Unter der Leitung von Jens Frische und Christopher Degener konnten sie auch in Wetzlar mit einer effektvoll inszenierten Lichtshow mit leuchtenden Sticks, akrobatisch fliegenden Stöcken und einem Trommelsolo auf den Schultern der Mitspieler die Zuschauer in ihren Bann ziehen. Donnernder Applaus war Lohn für eine beeindruckende Show.

Und dann kündigte Moderator Werner Rauber-Wagner als letzte Gruppe eine Formation an, die fraglos zur Crème de la crème der internationalen Marschmusikszene gehört: K&G Leiden. Die Band aus der Provinz Südholland überzeugt mit ihrer musikalischen Wucht und choreographischen Brillanz seit Jahren ihr Publikum. Beim alle 4 Jahre stattfindenden World Music Contest in Kerkrade nahm die Show- und Marschband K&G seit 1962 elf Mal teil und konnte sich in den letzten drei Jahrzehnten 13 Mal den Titel im Marsch- bzw. im Showwettbewerb sichern. Wenn die Band mit seinen knapp 70 Musikern Einzug hält, springt sofort der Funke auf das Publikum über. So auch in der Wetzlarer Rittal-Arena, wo die Band unter der Leitung von Trommelmajor Kevin van Egmond das Publikum in die Welt der Oper entführte. Mit der Show „Another night at the Opera”, unterlegt mit Titeln wie Nessun Dorma (aus der Oper Turandot), dem Gefangenchor aus Nabucco und anderen Titeln verwandelte sich die Rittal-Arena kurzzeitig in ein „Opernhaus“. Die perfekte Synchronität, die kreativen Formationen und der exakte Klang der Band veranlassten die Zuschauerinnen und Zuschauer im weiten Rund immer wieder zu Szenenapplaus. Nach dem fünfzehnminütigen Auftritt wurde die Gruppe mit Standing Ovations (zunächst einmal) vom Publikum verabschiedet.

Aber es sollte nicht der letzte musikalische Beitrag von K&G Leiden an diesem Tage bleiben. Wie es bei einem Tattoo üblich ist, bestritten zum Schluss alle teilnehmenden Gruppen das große Finale. Hier wurde Thomas Schmidt, dem Ehrendirigenten des Musikcorps, die Ehre zuteil, das Dirigat zu übernehmen. Zum Einmarsch präsentierten die Bands den „Radetzky-Marsch”. Danach wurde es etwas besinnlicher, denn mit „Eternal Father” wurde ein Choral der Royal Marines angestimmt. Dem schloss sich „Celtic Crest” an, bei dem sich nach einigen Takten die Pipes zu den übrigen Gruppen gesellten und dem Stück die schottische Note gaben.  

Danach folgte das nächste Highlight: die „Europahymne”. Die Instrumentalfassung der „Ode an die Freude” aus dem letzten Satz der neunten Sinfonie Ludwig van Beethovens sorgte bei den Zuschauern noch einmal für Gänsehaut pur, ehe der Klassiker „Highland Cathedral” den emotionalen Schlusspunkt setzte. Das anschließende Tattoo-Signal durch Lars-Gerrit Schmidt an der Trompete von der Empore der Rittal-Arena aus bildete den offiziellen Abschluss des Tattoos. Dennoch ließ es sich das begeisterte Publikum anschließend nicht nehmen, alle Gruppen beim Ausmarsch mit Standing Ovations zu verabschieden. 

Text: Lars-Gerrit Schmidt